, Christoph Grossegger

Europa nach der Krise

Ulrike Guérot und die Zukunft (EU-)Europas

In ihrem im Herbst 2020 erschienen Buch Nichts wird so bleiben, wie es war? fragt sich Ulrike Guérot, wie die Zukunft EU-Europas aussehen könnte und spart auf der Suche nach Antworten nicht mit Kritik am laxen Krisenmanagement der Europäischen Union. So schreibt sie beispielsweise von der „alten Dame EU“, die jede Krise der letzen Jahre überlebt habe, „aber nichts glanzvoll gemeistert hat“.  

Zentral thematisiert Guérot die fehlende „Bürger*innen-Europa-Beziehung“. In der heutigen Ausgestaltung der EU seien die Nationalstaaten demnach übermächtig, während den Bürger*innen als Staatsangehörige der jeweiligen Nationalstaaten die direkte Verbindung zu Europa fehle.  

Die Autorin fordert immer wieder weitere Integrationsschritte innerhalb der EU und bezeichnet genau diesen Prozess der Vergemeinschaftung als „Lebenselixier der EU“. Bei der nächsten Vergemeinschaftung nach Corona müsse es folglich nicht um Güter (Binnenmarkt) und Geld (Euro), sondern um die europäischen Bürger*innen selbst gehen, „denn Bürger*innen einer politischen Einheit sollten nicht konkurrieren: nicht um Atemmasken, Krankenhausbetten und auch nicht um Kurzarbeitergeld oder eine Arbeitslosenversicherung.“  

Guérot plädiert dahingehend für einen europäischen Staat und hält in diesem Zusammenhang fest, dass „bürgerliche Rechtsgleichheit noch lange keine Zentralisierung bedeutet“ und argumiert, dass ein Staat für ein funktionierendes Gemeinwesen notwendig sei.  

Nicht zuletzt kritisiert sie auch Demokratiedefizite innerhalb der Europäischen Union, wenn sie schreibt, dass Ursula von der Leyen nicht zur Wahl als EU-Kommissionspräsidentin angetreten, sondern vielmehr dazu bestimmt worden sei. Zudem moniert sie die große Bedeutung des Europäischen Rats bei den Entscheidungsmechanismen der EU und schreibt in diesem Zusammenhang, dass die EU ungefähr so sei, „als würde der österreichische Nationalrat – also die Vertretung der Bürger*innen – etwas beschließen, was die Landeshauptmänner und -frauen am nächsten Tag rückgängig machen.“  

Summa summarum handelt es sich um ein sehr kurzweiliges und anregendes Werk von Ulrike Guérot, wenngleich der Neuigkeitswert der im Buch vermittelten Informationen für europainteressierte Personen überschaubar ist. Nichtsdestotrotz führt das Buch schonungslos vor Augen, wo es in EU-Europa hakt und wie die nächsten Schritte aussehen müssten, um einen Fortschritt im langwierigen Prozess der europäischen Einigung zu erzielen.    

 

Ulrike Guérot (2020) Nichts wird so bleiben, wie es war? Europa nach der Krise – eine Zeitreise. Wien; Graz: Molden Verlag in der Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG, 120 Seiten, 20 Euro.