, Karl Menzinger

Konferenz über die Zukunft Europas - ein Überblick

Was erwarten wir von der Konferenz über die Zukunft Europas und was ist bisher geschehen?

Grundlagen

Am 10. März 2021 hob die EU ihre „Konferenz zur Zukunft Europas“ endlich aus der Taufe. Ursula von der Leyen (Kommission), David Sassoli (Parlament) und Antonio Costa (für das Ratsvorsitzland Portugal) unterschrieben feierlich eine gemeinsame Erklärung. Ursprünglich hätte das Projekt schon vor einem Jahr starten sollen, dann kam Corona und alles musste verschoben werden. Inzwischen gab es mühsame Stellungskriege im Hintergrund. Das EU-Parlament hatte den streitbaren Liberalen Guy Verhofstadt als Vorsitzenden positioniert, das stieß auf Widerstand in manchen Mitgliedsländern. Schließlich einigte man sich auf den Dreier-Vorsitz und dazu noch einen Exekutivausschuss, in den jede der drei EU-Institutionen jeweils drei Vertreter entsenden kann.

Wirklich losgehen soll das ambitionierte Bürgerbeteiligungsprojekt am 9. Mai, am Europatag. Der Abschluss ist dann für den Frühling 2022 geplant. Ein knapper Zeithorizont, ursprünglich waren zwei Jahre vorgesehen. Doch wofür das alles? Die EU sollte demokratischer und handlungsfähiger werden, das Themenspektrum ist breit gefächert: Demokratie, Rolle Europas in der Welt, Soziales und Gesundheit, Handlungsfähigkeit, Innovationen, Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaft, Umwelt und Arbeit.

Ein Blick zurück

Die heutige EU war von Anfang an eine Baustelle, auf der eine Gemeinschaft gebaut wurde und wird, für die es keine fertigen Baupläne gab. Das finale Ziel wurde nie wirklich definiert. Es gab große Entwürfe, die scheiterten, aber auch Etappenerfolge nach Krisenzeiten. Der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 1951 folgte im gleichen Jahr das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft EVG. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG war 1957 ein großer Wurf, der schließlich zur mehreren Erweiterungsschritten der Gemeinschaft führte. Der Eurosklerose der 80-er Jahre folgte der Europäische Binnenmarkt und schließlich die (bis heute unfertige) Währungsunion.

Dem Scheitern der Europäischen Verfassung folgte der Vertrag von Lissabon. Seit diesem Vertrag von Lissabon ringt die Europäische Union mit ihrer Fähigkeit, strukturelle Reformen durchzuführen. Neue Integrationsschritte waren immer nur unter extremem Krisendruck möglich, Vertragsänderungen sind zu einem Tabu geworden. Einen neuen Weg soll jetzt die »Konferenz zur Zukunft Europas« eröffnen und in einem Hybrid aus interinstitutionellen Verhandlungen und Bürgerbeteiligung neue Ideen für die Weiterentwicklung der Union hervorbringen.


Das Weißbuch zur Zukunft Europas

Schon der Brexit-Schock bewirkte seinerzeit eine Diskussion über die zukünftige Gestalt der Union. 2017 legte die EU-Kommission das Weißbuch zur Zukunft Europas vor. Darin wurden fünf Szenarien für die Entwicklung der Union zur Diskussion gestellt, die auch jetzt wieder interessant sind.

Fortführung der bisherigen Integrationspolitik | Basierend auf den Zielvorgaben und Zuständigkeitsverteilungen des Primärrechts setzt die EU ihre Tätigkeit auf einer Vielzahl von Politikfeldern fort, die Impulse kommen vom Europäischen Rat.


Von der Union zum Binnenmarkt | Die Europäische Union wird schrittweise wieder auf den Binnenmarkt ausgerichtet bzw. reduziert. Die Konsequenz wäre es, nur diesen, die einstige Keimzelle der Integration, gemeinsam fortzuführen.


Verstärkte Zusammenarbeit einiger Mitgliedstaaten | Das wäre eine Ergänzung des ersten Szenarios um Felder weiterer vertiefter Zusammenarbeit. Neben dem Schengen-Raum oder dem Euro würden so – wie bereits bisher möglich und politisch schon lange diskutiert – weitere Politikfelder identifiziert und von einem kleineren Kreis besonders integrationswilliger Mitgliedstaaten weiter vorangetrieben. Die Folge wäre ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“.


Weniger, aber effizienter | Die EU27 konzentriert sich darauf, in ausgewählten Politikbereichen rascher mehr Ergebnisse zu erzielen, unternimmt in anderen Bereichen aber weniger. Diese Fokussierung der Kräfte soll die Effizienz der Union steigern und ihr helfen, neues Vertrauen zu gewinnen.


Viel mehr gemeinsames Handeln | Die Mitgliedstaaten beschließen, auf allen Politikfeldern viel mehr gemeinsam zu machen, also eine konsequente Vertiefung der Union. Dieses Szenario bedeutet einen klaren und vorbehaltlosen Integrationsschritt. Dieser würde auch international zu signifikanten Veränderungen führen und die eigenständige Rolle der Mitgliedstaaten erkennbar einschränken, indem die Union etwa in internationalen Organisationen nicht nur mit einer Stimme sprechen, sondern auch nur als ein Mitglied vertreten wäre.


Die Konferenz zur Zukunft Europas

Einen neuen Schwung in die Diskussion soll nun die »Konferenz zur Zukunft Europas« bewirken. Ursprünglicher Erfinder dieser Konferenz war der französische Staatspräsident Emmanuel Macron. In seiner Elysee-Rede Anfang März 2019, noch vor der Europawahl, präsentierte er eine Reihe von Maßnahmen, mit denen er die Europäische Union reformieren wollte. Diese sollten eben in einer Konferenz zur Zukunft Europas diskutiert werden. Der Abschluss war schon damals geplant für die nächste Ratspräsidentschaft Frankreichs im ersten Halbjahr 2022.

Wenn es schon kein neuer Vertrag von Paris geworden wäre, dann zumindest eine feierliche Schlusszeremonie, in der die französische Politik ihre Führungsrolle in Europa dokumentiert hätte. Ursula von der Leyen, die amtierende Kommissionspräsidentin, nahm die Idee einer solchen Konferenz bereits in der Bewerbungsphase für das Amt der Kommissionspräsidentin auf. In ihrer Vorstellungsrede vor dem Parlament forderte sie einen „neuen Schwung für die Demokratie“ und bestätigte, dass die EU-Institutionen eine solche Konferenz organisieren werden. Sie integrierte die Idee in die sechs Prioritäten der fünfjährigen Amtsperiode.


Die Prioritäten der Kommission für 2019-2024

Ein europäischer Green Deal | Erster klimaneutraler Kontinent werden. Ein Europa für das digitale Zeitalter - Die EU-Digitalstrategie ermöglicht den BürgerInnen aktive Teilhabe an neuer Technologiegeneration.

Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen | Die EU sorgt für ein attraktiveres Investitionsumfeld und Wachstum, das insbesondere für junge Menschen und kleine Unternehmen hochwertige Arbeitsplätze schafft.

Ein stärkeres Europa in der Welt | Die EU wird ihre Stimme in der Welt stärken, indem sie sich für Multilateralismus und eine regelbasierte internationale Ordnung einsetzt.

Förderung unserer europäischen Lebensweise | Europa muss die Rechtsstaatlichkeit schützen, wenn es für Gerechtigkeit und die Grundwerte der EU eintreten will.

Neuer Schwung für die Demokratie in Europa | Wir müssen den Europäerinnen und Europäern ein größeres Mitspracherecht geben und unsere Demokratie vor Einflussnahme von außen – etwa durch Desinformation und Hassbotschaften im Internet – schützen.

Ursula von der Leyen beauftragte damals die Vizepräsidenten der Kommission insbesondere an den Themen Spitzenkandidaten, transnationale Listen und europäisches Wahlrecht zu arbeiten. Die Konferenz sollte eine Gelegenheit sein, eine strukturiertere Aussprache mit dem Ziel zu führen, die Funktionsweise der EU nicht nur hinsichtlich der institutionellen Dynamik, sondern auch hinsichtlich der Politikbereiche zu verbessern.

Ziel der jetzt eröffneten Konferenz ist es, die Bürgerinnen und Bürger stärker an der Gestaltung politischer Strategien der EU zu beteiligen und die Widerstandsfähigkeit der EU gegenüber wirtschaftlichen und sanitären Krisen zu verbessern.

Die Themen der Konferenz

Entsprechend der Strategischen Agenda des Europäischen Rates, den politischen Leitlinien der Europäischen Kommission für den Zeitraum 2019-2024 und den Herausforderungen, die sich durch die COVID-19-Pandemie ergeben haben, werden unter anderem folgende Themen erörtert:

  • Aufbau eines gesunden Kontinents,
  • Bekämpfung des Klimawandels und Bewältigung der ökologischen Herausforderungen,
  • eine Wirtschaft im Dienste der Menschen,
  • soziale Gerechtigkeit,
  • Gleichheit und Solidarität zwischen den Generationen,
  • der digitale Wandel Europas,
  • europäische Rechte und Werte einschließlich Rechtsstaatlichkeit,
  • Herausforderungen im Bereich Migration,
  • Sicherheit, die Rolle der EU in der Welt,
  • die demokratischen Grundlagen der Union und die Stärkung der demokratischen Prozesse der Europäischen Union.

Daneben können auch Querschnittsthemen erörtert werden, die die Fähigkeit der EU betreffen, ihre politischen Prioritäten umzusetzen, beispielsweise bessere Rechtsetzung, Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, die Umsetzung und Durchsetzung des Besitzstands sowie Transparenz.

Das Themenspektrum der Konferenz sollte den Bereichen Rechnung tragen, die in den Zuständigkeitsbereich der Europäischen Union fallen, oder in denen das Handeln der Europäischen Union für die europäischen Bürgerinnen und Bürger von Nutzen wäre.

Wie geht es weiter?

Der offizielle Startschuss für die Zukunftskonferenz soll europaweit am 9. Mai 2021 in Straßburg erfolgen. Die EU-Zukunftskonferenz soll vom aktuellen Ratsvorsitz, von der Kommissionspräsidentin und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments geleitet werden und alle 6 Monate tagen. Neben Bürgerdialogen in der gesamten EU ist von der Europäischen Kommission auch eine mehrsprachige digitale Plattform vorgesehen, über die sich EU-Bürgerinnern und Bürger einbringen können.

Am Ende sollen die Ergebnisse der Konferenz zu Leitlinien für die Gestaltung der Zukunft der EU führen. Und wir als EFB Steiermark werden unser Bestes geben, dieses Bürgerbeteilungsprojekt zu unterstützen.